Campaigning-Bücher, die sich zu lesen lohnen
Campaigning und politisches Engagement lernen wir nicht in der Schule, sondern in NGOs, Bürgerinitiativen, Parteien oder durch die Medien. Es gibt aber auch viele spannende Bücher, die jeweils in bestimmte Aspekte einführen und ein Kontextwissen ermöglichen. Nichts ersetzt jedoch das Ausprobieren draußen im harten Wind der politischen Veränderung.
„Die Umwelt schützen, Spaß dabeihaben und damit meine Brötchen zu verdienen“ – mit diesem Berufsmotto bin ich seit 1995 unterwegs. Zunächst erst viele Jahre angestellt, aber 2009 habe ich mich dann selbständig gemacht, um als Berater genügend Geld zu verdienen, um nebenbei ehrenamtlich klima- und verkehrspolitisch tätig werden zu können. Wenn es ein Buch gegeben hat, dass mir beim Schubs ins politische Engagement geholfen hat, dann war es Selber denken, eine gute Schrift und Argumentation, um dem Bewusstsein den Kick zum Handeln zu geben – für Einsteiger.
Doch zunächst zu Basis-Skills im Management und Gründen: Führen, Leisten, Leben ist das Management-Handbuch, dass über effektive Führung jenseits psychologischer Führungspersönlichkeiten schreibt. Rework hilft bei dem Schritt in die Selbständigkeit, vor allem aber in das selbstbestimmte und selbstverantwortliche Handeln – genau richtig für Menschen, die zulange in Konzernen und starren Strukturen angestellt waren. Business Model Generation unterstützt, um Geschäfts- bzw. NGO-Modelle zu entwickeln: Es ist eine der besten Gründer-Bibeln, die ich kenne, denn es lenkt den Blick auf USP, Kunden, Einnahmen und das, was man tut, in einfacher und verständlicher Sprache, so wie es jetzt in vielen Entrepreneur-Studienfächern auch gelehrt wird. Und schließlich Die Kunst, seine Kunden zu lieben, ist das Buch, dass sowohl beim Definieren der eigenen Aufgabe und es eigenen USPs sowie der dazugehörigen Kunden hilft – bzw. in NGO-Sprech der eigenen Mission, den Campaigning-Ansätzen und der Crowd, mit der man zusammen loslegt.
Vom Business zur NGO kommend, öffnet The Power of Unreasonable People die Augen für das, was mit festem Willen und jenseits eingeschwungener Pfade möglich ist: Das Buch ist ein wunderschönes Geschichtsbuch über den Gründertyp social bzw. political entrepreneur. Der Autogeher ist die Biographie eines Menschen, der einfach loslegte, weil er was verstanden hat. Wie kann ich was bewegen ist eine gute Übersicht über Aktivismus und politische Veränderungen. Beautiful Trouble ist das Handbuch von Aktionsideen und Taktiken, um trotzdem gegen die Klimaschutzlobby losziehen zu können - wunderschön zur Anregung zu lesen. Der Berlin-Standard, den ich selbst geschrieben habe, ist die Geschichte des Volksentscheids Fahrrads, das einfach geschriebene Handbuch für gute Radpolitik und das Lehrbuch, um mit der richtigen Verkehrswenderhetorik für Veränderungen auf der Straße sorgen zu können.
Die Klimaschmutzlobby zeigt ein leider realistisches Bild, mit welcher gut organisierten Macht mit millionenschweren Budgets wir es zu tun haben – bitte nur lesen bei persönlicher hoher Frustrationstoleranz. Wer mal einen Insider-Blick hinter die Kulissen der Maschine Parteien, Bundestag und Lobbyisten werfen soll, sollte das Buch Lobbyland lesen. Aber der Knaller war für mich Alleiner kannst du garnicht sein, eine O-Ton-Story brühwarm von (Ex-)-Abgeordneten über ihre Macht und Ohnmacht, über Gewissensentscheidungen und Fraktionsabläufe. Democracy for Future macht wütend und süchtig nach dem demokratischen Update zur Klimawende.
Neben der Lust auf Engagement und NGO braucht es allerdings auch Mission, Strategie und Ziele. Good Strategy, Bad Strategy ist ein MBA-Kurs-Klassiker für die Entwicklung guter Strategien und lehrt vor allem strategisches Denken. Politik braucht Strategie, Taktik hat sie genug ist die Adaption auf den politischen Raum – die Autoren gaben dazu ein Training in der Heinrich-Böll-Stiftung.
Neben der Fähigkeit zum strategischen Denken ist das Wissen über Veränderungen, die Bedingungen des Gelingens und Anstöße wichtig. Nudge sind die kleinen Anstöße, die das Wachstum von Veränderungen triggern und ein gutes Werk für Change-Managerinnen im Großen und im Kleinen. Malcolm Gladwell schreibt dazu auch immer wieder gute Bücher: Das David kein Held war, wissen die Wenigsten: David gegen Goliath führt in Hebelwirkung, Strategie und Taktik von Veränderungen ein. Tipping Points lockt den Change Manager, der Freude an dem Gelingen von Veränderungen hat und mehr lernen will, an was es scheitert oder wie es funktioniert.
Von der Strategie zum Handeln und Überzeugen: Die Psychologie des Überzeugens bringt die Mechanismen von Veränderungen, Sprache und neuronalen Muster in den Kopf des Lesers. Politisches Framing lenkt den Blick auf die tiefere Macht der Sprache: Es lehrt, welche Wörter uns ins welche Schubladen stecken und zeigt auf, selber eigene Schubladen zu entwickeln. Rules for Revolutionary aus dem amerikanischen Bernie-Sanders-Wahlkampf ist ein High-End-Campaigning-Buch für bundesweite Campaigning- und Organizing-Kampagnen. Radikalisierungsmaschinen zeigt, wie Klimaschutzgegner und Rassisten sich organisieren, wie sie funktionieren und leider auch, was man von denen im Management und in der Organisation lernen kann. Und gerade lese ich mich in Erzählende Affen rein, ein Plädoyer für mehr Storytelling.
Und ganz zum Schluss fürs Psychologische: Ego is the Enemy verbindet Ziel- und Ergebnisorientierung mit den Fallen von Stolz, Ego und der Fähigkeit, in und mit Teams Großartiges zu leisten. Im Grund gut lehrt uns, egoistisches Denken zugunsten starker gemeinsamer und grundoptimistischer Arbeit abzulegen und erläutert grundlegende Gruppenmechanismen (mein Sachbuch des Jahres 2020 und absolut empfehlenswert)!
Sicher gibt es noch viele weitere gute Bücher, aber das ist erstmal eine Auswahl und wird Jahr zu Jahr ergänzt. Gute Vorschläge sind immer willkommen.